Schulgebäude - Bäckerei - Gasthof - Hotel
Die Geschichte des Sülztaler Hofes fängt etwas ungewöhnlich an. 1822 war das erste Schulhaus in Immekeppel (damals Gemeinde Bensberg) bezugsfertig. Die 93 Kinder, die bisher in einem angemieteten Zimmer der Gastwirtschaft Philipp Stegmann (vormals Gronewald) unterrichtet wurden, konnten in das neue Schulhaus, in dem sich neben einem geräumigen Klassenzimmer auch die Lehrerwohnung befand, einziehen.
Doch schon 35 Jahre später musste das von dem Gutsbesitzer Wilhelm Fischer aus Haus Thal errichtete Gebäude als baufällig geschlossen werden. Der zuständige Kommunalbaumeister erklärte dazu 1849: "Da der Fehler des Gebäudes in der ursprünglichen Construktion des Mauerwerks liegt, so lässt sich dasselbe nie heben, sondern man kann nur durch Anbringen von Stützen dem Fortschreiten der Bewegung Grenzen setzen. Selbst eine kostspielige Reparatur wird die Dauer des Gebäudes nur wenig verlängern".
So verkaufte die Gemeinde das Gebäude, dessen Risse sich immer weiter vergrößerten, notgedrungen am 8. Juni 1858 für 2215 Thaler an den Herkenrather Kaufmann Friedrich Wachendorf. Er und sein Nachfolger in den 1870er Jahren, Carl Felder, renovierten das Haus und betreiben dort eine Gastwirtschaft mit angegliederten Kolonialwarenladen.
Geburtsstunde des Sülztaler Hofes
Nach Kauf des Gebäudes zum Kaufpreis von 14 000 Mark, feierte Gerhard Selbach am 1. Mai 1883 seine Gastwirtschaftseröffnung. Er verspricht in einer Anzeige: "Es werde stets sein Bestreben sein, durch gute Speisen zu genügen".
Der Sülztaler Hof hatte als "Wirtschaft, Handlung und Bäckerei seine Geburtsstunde". Schon als Geselle lernte er bei einer früheren Arbeitsstelle seine spätere Frau Elisabeth, Tochter von Josef Meurer kennen. Jener Josef Meurer war Besitzer der Külheimer Mühle im Freudental (nahe Immekeppel) und hatte diese zu einer Mahlmühle ausgebaut. Nach der Heirat mit Elisabeth, betrieb Gerhard Selbach in der Mühle seines Schwiegervaters eine Bäckerei. Nach dem Tod des Schwiegervaters wechselt die Külheimer Mühle (erblich) an das Ehepaar Selbach. Nach beträchtlichen Investitionen zur Renovierung der Mühle konnte Selbach sein Mehl dort selber mahlen.
Innerhalb von 25 Jahren hatte Selbach nicht nur den Namen "Sülztaler Hof" geprägt, sondern auch durch seine Aktivität und sein Engagement Kolonialwarenladen, Gasthaus und Bäckerei nebst Mühle zu einem Begriff von Tradition in Immekeppel werden lassen.
Desweiteren übernimmt das Ehepaar Selbach 1885 die Postagentur und kümmern sich um die postalische Abfertigung der Postsendungen. Kurz darauf wird auch eine öffentliche Fernsprechzelle (Telefon) im Gasthaus eingerichtet.
1893 errichtete Selbach im oberen Stockwerk dem Kaisersaal. Im Alter von fast 60 Jahren stirbt 1908 Gerhard Selbach.
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Sohn Josef Selbach übernimmt 1908 nach dem Tod des Vaters das gesamte Anwesen. Er war noch tatkräftiger als sein Vater. In den 1930er Jahren ist er Mitglied im Bensberger Gemeinderat (Immekeppel gehört bis zum 1. Januar zur Stadt Bensberg) Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der Spar- und Darlehnskasse Immekeppel (dessen Vater 1877 eines von 35 Gründungsmitglieder gewesen war). Er betreibt mit seiner Frau Maria beb. Wasser das Gasthaus "Sülztaler Hof", er backt Brot und Kuchen und fährt zweimal die Woche 50 bis 80 Brote, Plattenkuchen und Brötchen mit der Hilfe von "Tante Anne" mit Pferd und Wagen zu festen Kunden bis nach Bärbroich, Löhe und Moitzfeld. Er betreibt den Lebensmittelladen, in dem neben Petroleum für die Lampen auch sämtliche Spezereinen und Lebensmittel meist von "Tante Lieschen" angeboten werden. Er handelte mit Kohlen die er mit der Sülztalbahn aus Köln bezieht.
Er nimmt umfangreiche bauliche Veränderungen an der Gaststätte vor. 1910 baute er den Kaisersaal hinter dem Gebäude an. 1914 läßt er das Haus bis auf die Umfassungsmauern niederreißen und umbauen. 1920 erichtete er eine Kegelbahn, 1924 fügte er dem Haus eine Veranda an und 1928 erbaute er sechs Fremdenzimmer in der ersten Etage. Anlaß war die neu eingerichtet Buslinie der Kraftpostverkehr der deutschen Reichspost zwischen Köln und Lindlar. Auf verbilligten Zehnfahrten- oder Rückfahrkarten gelangte der Kölner in "bequemen Ausflugs- Postkraftwagen in kurzer Zeit für billiges Geld mühelos zu den hervorragenden Punkten des Bergischen Landes", mit einer Haltestelle der Kraftpost, natürlich gleich vor dem Sülztaler Hof.
Ebenfalls um 1920 gründete Josef Selbach mit anderen Gastronomen den "Sülztaler Verkehrs- und Verschönerungsverein (S.V.V.V.) Sitz in Immekeppel" der den Fremdenverkehr beleben will und dazu Unterkunftsmöglichkeiten in Gast- und Privathäusern offerierte, (Der Verein bestand bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges) So nebenbei war er auch noch Mitglied in diversen Ortsvereinen, die sich natürlich alle in Kaisersaal des Sülztaler Hofes trafen.
Dann hatte der Fortschritt bei den Selbachs Einzug gehalten. Schon 1925 mit dem Anschluss Immekeppels an die Elektrizität war die Karbitbeleuchtung überflüssig geworden und auch das Göpelwerk, eine Vorrichtung, die aus Rädern, einer senkrechten Welle und einem Zugbalken besteht, den ein im Kreis gehendes Pferd bewegt, wodurch dessen Kraft auf die Welle und weiter auf eine Teichknetmaschine in der Backstube übertragen wird, geriet schnell in Vergessenheit.
1930 ersteht Josef Selbach einen Ford, Marke Todor, der als Personenwagen durch ein Karosseriewerk hinten mit einer Tür versehen war und damit auch als Lieferwagen zum Transport der Bäckereiprodukte diente.
Nach Ende des 2. Weltkrieges (1945) übergibt Josef Selbach das Anwesen an seinen Sohn Josef (also gleichen Namens (geb. am 27.4.1911) Jener Sohn Josef, war gerade aus dem Krieg zurück gekehrt und stand vor seinem schwierigen Erbe. Der einstige Fremdenverkehr war völlig zum Erliegen gekommen. Und doch geht Josef jun. die neue Herausforderung aktiv an. Er heiratete noch im April Elisabeth Cramer aus Bergisch Gladbach und eröffnete zunächst wieder die Bäckerei. Trotz aller Bemühungen von Josef Selbach mußte schon 1956 die Bäckerei und 1965 der Lebensmittelhandel eingestellt werden. Der Konkurrenzdruck und die Zeiten hatten sich zu seinem Ungunsten verändert. Der Sülztaler Hof war nunmehr der einzige Erwerbzweig.